Bewerberdaten vs. Betriebsrat – Teil 1

Geschrieben von Christian Scholtz, veröffentlicht am 07.12.2015

Welche Rechte der Betriebsrat im Bewerbungsprozess hat erfahren Sie in Teil 1 des folgenden Beitrags.

Datenschutz und BetriebsratIn der heutigen Zeit arbeiten viele Unternehmen unter anderem mit elektronischen Personalakten, googeln nach Hintergrundinformationen der Bewerber oder überwachen Telefongespräche der Mitarbeiter zum Zwecke der Qualitätssicherung. Hierfür werden regelmäßig personenbezogene Daten von Arbeitnehmern erhoben, verarbeitet und an andere Stellen, wie z.B. Versicherungsträger oder Behörden weitergeleitet. Was dabei zu beachten ist und welche Rechte der Betroffene, in diesem Fall der Arbeitnehmer hat, richtet sich in erster Linie nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und wird unter dem Begriff des Arbeitnehmerdatenschutzes zusammengefasst. Gem. § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG grundsätzlich untersagt und nur dann zulässig, wenn hierfür eine gesetzliche Regelung besteht oder der Betroffene ausdrücklich einwilligt. Im Beschäftigungsverhältnis ergibt sich die gesetzliche Grundlage insbesondere aus sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorschriften

Bewerberdaten an den Betriebsrat

Insbesondere im Bewerbungsverfahren werden umfassend Daten von Bewerbern gesammelt. So können sich die verantwortlichen Stellen ein genaueres Bild vom Kandidaten machen und zugleich überprüfen, ob dieser auch für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist. Hierfür werden Daten über die Person, Qualifikationen, Persönlichkeit oder körperliche Eigenschaften, beispielsweise aus der Eignungsuntersuchung, erhoben.

Anwendbarkeit des BDSG 

Die Anwendbarkeit des BDSG für Daten aus dem Bewerbungsverfahren ergibt sich insbesondere aus § 3 Abs. 11 Nr. 7 BDSG. Demzufolge sind Bewerber auch in den persönlichen Anwendungsbereich des BDSG mit einbezogen. Neben der persönlichen Voraussetzung ist zudem auch der sachliche Anwendungsbereich des BDSG eröffnet, da es sich bei den Daten aus dem Bewerbungsverfahren um personenbezoge Daten i.S.d. § 3 Abs. 1 BDSG handelt. Demzufolge regelt das BDSG die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten aus dem Bewerbungsverfahren. Wie eingangs erwähnt, kann sich gem. § 4 Abs. 1 BDSG die Legitimation der Verarbeitung auf der einen Seite durch eine Einwilligung nach § 4a BDSG oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften ergeben. Die Zulässigkeit der Datenerhebung im Bewerbungsverfahren wird für den Arbeitgeber in erster Linie aufgrund des § 32 Abs.1 BDSG möglich. Demnach dürfen personenbezogene Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Aufgrund der Anwendbarkeit des BDSG für Bewerberdaten unterliegen diese Daten auch einem besonderen Schutz und dürfen nur den Stellen zugänglich gemacht werden, die im Bewerbungsverfahren beteiligt sind.

Betriebsrat als Empfänger

Bewerberdaten werden von der Personalabteilung nicht nur an die Stellen weitergeleitet, welche über die Besetzung mitentscheiden, sondern in der Regel auch an den Betriebsrat. Dieser Vorgang wird im Rahmen des Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG ermöglicht. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern über die geplante Einzelmaßnahme zu unterrichten und ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen. Demzufolge hat der Betriebsrat für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts die Möglichkeit, alle Daten aus dem Bewerbungsverfahren einzusehen und kann Auskunft über den einzelnen Kandidaten verlangen. Das umfasst in erster Linie die eingereichten Bewerbungsunterlagen, Personalfragebögen, Prüfungsergebnisse oder schriftliche Protokolle in Bewerbungsgesprächen. Vom Einsichtsrecht nicht berücksichtigt sind unter anderem Entscheidungsgründe des Arbeitgebers bei Nichtbesetzung, der Arbeitsvertrag oder die Ergebnisse aus der ärztlichen Eignungsuntersuchung. Infolge einer umfangreichen Unterrichtung soll dem Betriebsrat bei der personellen Einzelmaßnahme eine Mitentscheidung ermöglicht werden. Dementsprechend hat der Betriebsrat als Empfänger das Recht, die Weiterleitung der personenbezogenen Daten zu verlangen. Fraglich ist allerdings, ob die Weiterleitung der Bewerberdaten nicht gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen kann.

Kollision des BetrVG und BDSG bei Bewerberdaten 

Festzuhalten ist, dass für den Schutz personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis grundsätzlich das BDSG seine Anwendung findet. Gleiches gilt auch für Bewerberdaten. Dennoch kommt es nicht selten vor, dass andere Gesetze selbst datenschutzrechtliche Vorgänge regeln oder durch ihre Vorschriften in Bestimmungen des BDSG eingreifen. Der Arbeitgeber muss entsprechend der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschrift nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG personenbezogene Daten der Arbeitnehmer an den Betriebsrat weiterleiten, welche jedoch auch gleichzeitig durch das BDSG geschützt werden.Im Falle einer möglichen Kollision anderweitiger Gesetze, sieht das BDSG prinzipiell eine Subsidiaritätsregelung gem. § 1 Abs. 3 BDSG vor.

Subsidiaritätsprinzip nach § 1 Abs. 3 BDSG

Das Prinzip der Subsidiarität des BDSG bedeutet, sobald eine andere Rechtsvorschrift des Bundes den Umgang mit personenbezogenen Daten regelt, geht dieses Gesetz dem BDSG vor. Voraussetzung für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nach § 1 Abs. 3 BDSG ist, dass eine Norm mit ihren Tatbestandsmerkmalen ausdrücklich eine Datenverarbeitung regelt und das BDSG somit verdrängt. Diese Voraussetzung ist dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 BetrVG zufolge nicht ohne weiteres gegeben, sondern lässt sich unter zu Hilfenahme einer Auslegung begründen. Der Zweck des § 99 BetrVG sieht vor, dass dem Betriebsrat alle erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen sind. Bei der beschriebenen Pflicht des Arbeitgebers handelt es sich nicht nur um eine allgemeine Informationspflicht, sondern um eine konkrete Aufgabenbeschreibung, die eine Weiterleitung der Bewerberdaten vorsieht. Diese Pflicht des Arbeitgebers kann nur wahrgenommen werden, wenn er die benötigten Informationen des Bewerbers an den Betriebsrat weiterleitet und es ihm so ermöglicht, seine Überwachungsaufgabe i.S.d. § 99 Abs.1 BetrVG zu erfüllen. Somit enthält § 99 Abs. 1 BetrVG zwar keine ausdrückliche Regelung im Umgang mit personenbezogenen Daten an sich, sieht aber mit der Weiterleitung der Bewerberdaten an den Betriebsrat eine genaue Arbeitsanweisung vor und regelt daher ein datenschutzrechtliches Vorgehen. Dementsprechend ist die Datennutzung des Betriebsrats aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nach § 1 Abs. 3 BDSG bereits möglich, da es sich hierbei um eine speziellere Regelung im Umgang mit personenbezogenen Daten handelt. Neben der Subsidiaritätsregel nach § 1 Abs. 3 BDSG könnte die Weiterleitung der Bewerberdaten auch aufgrund des Erlaubnistatbestands nach § 4 Abs. 1 BDSG legitimiert sein.

Erlaubnistatbestand nach § 4 Abs. 1 BDSG

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten ist gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BDSG auch dann möglich, wenn eine andere Vorschrift dies ausdrücklich erlaubt. Diese Norm berücksichtigt anderweitige Gesetze die besondere Regeln im Umgang mit personenbezogenen Daten haben und daher den Vorschriften des BDSG vorgehen. Wie bereits unter Punkt a. Subsidiaritätsprinzip aufgezeigt, verlangt auch § 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BDSG eine eindeutige datenschutzrechtliche Regelung. Diese liegt mit den Tatbestands-merkmalen des § 99 Abs. 1 BetrVG vor, da hier ein konkreter Informationsanspruch des Betriebsrats auf Weitergabe der Bewerber-daten besteht. Mithin ist auch eine gesetzliche Legitimation nach § 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BDSG i.V.m. § 99 Abs. 1 BetrVG gegeben.